Mit dem Referentenentwurf vom 14.12.2016 soll in § 1906 Abs. 3 BGB die Einwilligung des Betreuers/ der Betreuerin mit Genehmigung des Betreuungsgerichts in die ärztliche Zwangsmaßnahme von der freiheitsentziehenden Unterbringung rechtlich entkoppelt werden und künftig auch beim stationären Aufenthalt in einem Krankenhaus zulässig sein. Außerdem soll der Betreuer/ die Betreuerin den/die Betreute/n gemäß § 1901 a Abs. 4 BGB (RefE) auf die Möglichkeit einer entsprechenden Patientenverfügung hinweisen.
Zuletzt hat das Bundesverfassungsgericht mit dem Beschluss vom 26. Juli 20161 festgestellt, dass "mit der aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes folgenden Schutzpflicht des Staates unvereinbar ist, dass für Betreute, denen schwerwiegende gesundheitliche Beeinträchtigungen drohen und die die Notwendigkeit der erforderlichen ärztlichen Maßnahme nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln können, eine ärztliche Behandlung gegen ihren natürlichen Willen unter keinen Umständen möglich ist, sofern sie zwar stationär behandelt werden, aber nicht geschlossen untergebracht werden können, weil sie sich der Behandlung räumlich nicht entziehen wollen oder hierzu körperlich nicht in der Lage sind".
Die Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie (CBP) bewertet die Neuregelung der § 1906, 1906 a BGB und § 1901a Abs. 4 BGB (RefE) mit Blick auf die Persönlichkeits- und Schutzrechte der Menschen mit Behinderung im Sinne von Art. 14 und Art. 12 UN-Behindertenrechtskonvention kritisch; da die beabsichtigten Veränderungen zur Anwendung von freiheitsentziehenden Maßnahmen nur bedingt der bei der Staatenprüfung Deutschlands am 26./27.3.2015 vom zuständigen UN- Fachausschuss kritisierten Grundlagen entsprechen.
Die verfügbaren Statistiken des Bundesamtes für Justiz zeigen darüber hinaus die sehr hohe Anwendung von freiheitsentziehenden Maßnahmen in Deutschland. In 2015 wurden wegen Zwangsbehandlung gemäß 1906 Abs. 1 und 2 BGB ca. 39.000 Verfahren durchgeführt, wovon nur 831 Maßnahmen4 (2%) abgelehnt wurden. Bei freiheitsbeschränkenden Maßnahmen nach § 1906 Abs. 4 BGB wurden 61.611 Verfahren über unterbringungsähnliche Maßnahmen durchgeführt und nur 2.553 abgelehnt. Die 7,5% Steigerung von Genehmigungen bei Maßnahmen nach § 1906 BGB von 20.000 Genehmigungen in 1992 auf 150.000 Genehmigungen von diversen Maßnahmen insgesamt markiert eine besorgniserregende Entwicklung. Diese Statistik erfasst zudem lediglich die Unterbringungs- und unterbringungsähnliche Maßnahmen nach BGB und berücksichtigt nicht die ordnungsrechtlichen Maßnahmen, die länderspezifisch unterschiedlich erfasst werden. Hinter jedem Einzelfall verbergen sich menschliche Schicksale, die verlangen mit höchster Sorgfalt beachtet und reflektiert zu werden.
Der Hintergrund der bisherigen Praxis wie auch die Kritik des zuständigen UN-Ausschusses zur Überwachung der Behindertenrechtskonvention machen es erforderlich, dass die Formulierungen der neuen Regelungen in § 1906 a BGB und § 1901 b Abs. 4 BGB-RefE weiter differenziert und konkretisiert werden müssen.