Mit dem Referentenentwurf vom 5. März 2019 sollen die Regelungen des SGB IX und SGB XII geändert bzw. ergänzt werden, die mit dem Bundesteilhabegesetz bereits eingeführt bzw. zum 1. Januar 2020 in Kraft treten. Die Stellungnahme bewertet vor allem folgende geplante Änderungen im Referentenentwurf:
- die Regelungen zur Übernahme der Wohnkosten durch den Träger der Eingliederungshilfe gemäß § 113 Abs. 5 SGB IX,
- die Neuregelung des § 42 a SGB XII mit Klarstellung der Bezugsgröße für die übersteigenden Kosten der Unterkunft,
- die Erweiterung der Regelung des § 42 a SGB XII auf die Personen, die Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt erhalten, sowie
- die Änderungen der Werkstättenverordnung.
Laut Gesetzgeber soll mit dem Bundesteilhabegesetz das Ziel verfolgt werden, eine Verbesserung der Lebenssituation von Menschen mit Behinderung zu erreichen und eine Weiterentwicklung des deutschen Rechts im Licht der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) zu implementieren. Nach diesem Maßstab ist ebenfalls das "Änderungsgesetz" zum Bundesteilhabegesetz zu bewerten, in dessen Mittelpunkt der Mensch mit seinen behinderungsspezifischen Bedarfen stehen sollte.
Die Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie (CBP) begrüßt:
- die ausdrückliche Anspruchsgrundlage im Recht der Eingliederungshilfe für "Wohnkosten", die über 125% der durchschnittlichen Warmmiete eines Einpersonenhaushalts liegen; sieht aber insbesondere Verbesserungsbedarf bei den Ausführungen in der Gesetzesbegründung und regt eine Streichung der Voraussetzung an, dass eine entsprechende schriftliche Vereinbarung nach Kapitel 8 bestehen muss,
- die Anpassung des § 35 SGB XII für Menschen, die Hilfe zum Lebensunterhalt erhalten und
- die Regelung zur Höhe der durchschnittlichen Warmmiete am Ort der gemeinschaftlichen Wohnform
Mit Blick auf die Änderungen der Werkstättenverordnung muss aus Sicht des CBP die Regelung in § 2 Abs. 1a WVO dahingehend modifiziert werden, dass die Expertise des Fachausschusses und insbesondere des Leistungserbringers in das Gesamtplanverfahren einbezogen werden.
Die Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie (CBP) sieht über die geplanten Änderungen des Gesetzgebers hinausgehend folgenden dringenden Handlungsbedarf:
- die verbindliche Einbeziehung der Leistungserbringer in das Teilhabe- und Gesamtplanverfahren,
- Ergänzung der Sonderregelung nach § 134 SGB IX für Kinder und Jugendliche, die Leistungen zur Teilhabe zur Bildung erhalten u. auch als volljährige Leistungsberechtigte zur weiteren Leistungserbringung in Wohngruppen für Kinder/Jugendliche verbleiben dürfen sollten,
- die Konkretisierung des Rechts auf digitale Teilhabe und digitale Hilfsmittel insbesondere dahingehend, dass der Zugang zu digitalen Hilfsmitteln und zur Assistenz nicht eingeschränkt werden darf,
- die Anpassung der Steuergesetze an die Systematik des BTHG,
- einen gesetzlichen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Eingangs- und Berufsbildungsbereich der WfbM, damit Menschen mit Behinderung ihren Anspruch nicht im Einzelfall im Wege der Klage durchsetzen müssen,
- die gesetzliche Verankerung der Strukturverantwortung der Integrationsämter für die Integrationsfachdienste in § 185 SGB IX und ein Rechtsanspruch auf die gesetzlich definierten Leistungen der Integrationsfachdienste,
- die Gestaltung von rechtssicheren und sachgerechten bundesweiten Übergangsregelungen für die geltenden Verträge und im Hinblick auf den Stichtag zur Trennung der Leistungen am 1.1.2020,
- die Zuordnung von Menschen mit Behinderungen in besonderen Wohnformen der Behindertenhilfe zur Regelbedarfsstufe 1 statt Regelbedarfsstufe 2,
- die Streichung des § 43a SGB XI und damit eine Bereinigung der Schnittstelle von Eingliederungshilfe und Pflege,
- die Einführung eines Budgets für Ausbildung. Der CBP fordert, dass der Rechtsanspruch auf berufliche Ausbildung und Bildung gesichert sein muss und der Zugang zur Ausbildung nicht aufgrund einer Behinderung oder psychischen Erkrankung eingeschränkt werden darf. Zu diesem Zweck müssen individuell notwendige Assistenzleistungen bei der Bildung/Ausbildung gesetzlich verankert werden.
- die Sicherstellung der religiösen Teilhabe. Ein wesentlicher Teil des gesellschaftlichen Lebens stellt für viele das religiöse Zusammenleben dar, an dem auch Menschen mit Behinderung und/ oder psychischer Erkrankung teilhaben wollen. Es muss sichergestellt sein, dass zur gesellschaftlichen/ sozialen Teilhabe auch die Leistungen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen religiösen Leben gehören und dass der grundrechtlich geschützte Bereich (wie z.B. die Unterstützung beim Besuch von Gottesdiensten, Gebetszeiten und gemeinsamen Veranstaltungen, die spirituellen Zwecken dienen), dazu gehört. Der CBP regt gemeinsam mit dem Deutschen Caritasverband an, dass dieses Recht auch im Bundesteilhabegesetz verankert wird. In § 78 SGB IX soll daher ergänzt werden, dass die Assistenzleistungen auch Leistungen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen religiösen Leben umfassen. Zu den Einzelheiten verweisen wir in diesem Punkt auf die CBP-Empfehlungen zur Aufnahme von Assistenzleistungen zur Religionsausübung als Teilhabeleistungen in neuen Landesrahmenverträgen nach Bundesteilhabegesetz (§ 131, SGB IX).