Die Fachverbände danken für die Aufbereitung der Beratungsunterlagen zum Thema "Kostenheranziehung". Da das Thema "Kostenheranziehung" lediglich einen Teilaspekt innerhalb des Themenkomplexes der Finanzierung der inklusiven Lösung darstellt, nehmen die Fachverbände zur Gesamtthematik Finanzierung wie folgt Stellung:
I. Rahmenbedingungen für eine gelingende inklusive Kinder- und Jugendhilfe
Nach § 108 Abs. 2 SGB VIII untersucht das BMFSFJ in den Jahren 2022 bis 2024 die rechtlichen Wirkungen von § 10 Abs. 4 SGB VIII und legt dem Bundestag und dem Bundesrat bis zum 31. Dezember 2024 einen Bericht über das Ergebnis der Untersuchung vor. Dabei sollen insbesondere die gesetzlichen Festlegungen des Achten und Neunten Buches
1. zur Bestimmung des leistungsberechtigten Personenkreises,
2. zur Bestimmung von Art und Umfang der Leistungen,
3. zur Ausgestaltung der Kostenbeteiligung bei diesen Leistungen und
4. zur Ausgestaltung des Verfahren
untersucht werden mit dem Ziel, den leistungsberechtigten Personenkreis, Art und Umfang der Leistungen sowie den Umfang der Kostenbeteiligung für die hierzu Verpflichteten nach dem am 01. Januar 2023 für die Eingliederungshilfe geltenden Recht beizubehalten, insbesondere einerseits keine Verschlechterungen für leistungsberechtigte oder kostenbeitragspflichtige Personen und andererseits keine Ausweitung des Kreises der Leistungsberechtigten sowie des Leistungsumfangs im Vergleich zur Rechtslage am 01. Januar 2023 herbeizuführen, sowie Hinweise auf die zu bestimmenden Inhalte des Bundesgesetzes nach § 10 Abs. 4 S. 3 SGB VIII zu geben. In die Untersuchung werden auch mögliche finanzielle Auswirkungen gesetzlicher Gestaltungsoptionen einbezogen.
Der so formulierte "Mehrkostenvorbehalt" stellt die Erarbeitung zukünftiger Regelungen und die Umsetzung einer gemessen an den Vorgaben der UN-BRK barrierefreien und partizipativen inklusiven Kinder- und Jugendhilfe vor unlösbare Herausforderungen. Diese kann nach Auffassung der Fachverbände für Menschen mit Behinderung nicht kostenneutral gestaltet werden. Daher erwarten die Fachverbände für Menschen mit Behinderung, dass über das BMFSFJ Bundesmittel für die Umsetzung der inklusiven Kinder- und Jugendhilfe bereitgestellt werden.
Die unterschiedlichen Mehrkosten, die entstehen, werden im nachfolgenden nicht abschließend dargestellt, sondern inhaltlich erläutert. Sie knüpfen zum einen daran an, dass Kinder und Jugendliche mit Behinderung die gleichen Menschen- und Grundrechte inne haben wie Kinder ohne Behinderung. Zur Realisierung der Rechte müssen umfängliche Maßnahmen für barrierefreie Zugänge gemäß Art. 9 UN BRK getroffen werden, um Kindern und Jugendlichen mit Behinderung den Zugang zu öffentlichen und freien Einrichtungen und Diensten, Informations- und Kommunikationsdiensten, Transportmitteln etc. zu gewähren. Die Sicherstellung von Zugängen setzt auf Seiten der Fachkräfte spezifische und vielfältige Kompetenzen der barrierefreien Kommunikation voraus, damit Kinder und Jugendliche mit Behinderung bzw. ihre Personensorgeberechtigten die Assistenzleistungen gemäß ihrem Bedarf und ihren Wünschen erhalten.
Zum anderen legt Art. 19 UN BRK fest, dass die Vertragsstaaten wirksame Maßnahmen treffen, die Kindern und Jugendlichen mit Behinderung die volle Einbeziehung in die Gemeinschaft und ein Leben in der Gemeinschaft erleichtern. Dazu gehört auch der Zugang zu einer Reihe von gemeindenahen Unterstützungsdiensten zu Hause und in Einrichtungen sowie zu sonstigen gemeindenahen Unterstützungsdiensten, einschließlich der persönlichen Assistenz, die zur Unterstützung des Lebens in der Gemeinschaft und der
Einbeziehung in die Gemeinschaft sowie zur Verhinderung von Isolation und Absonderung von der Gemeinschaft notwendig ist.
Die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung kann im Sinne des Art. 1 UN BRK nur erreicht werden, indem individuelle Assistenzleistungen gewährt und strukturelle Barrieren in der Gesellschaft abgeschafft werden.
Hieraus folgt eine notwendige Veränderung der Leistungen und Kompetenzen sowie die Aufhebung der Barrieren, die im Rahmen der Planungen für eine zukünftige inklusive Kinder- und Jugendhilfe weder fachlich, rechtlich noch finanziell Berücksichtigung gefunden haben.
1) Infrastrukturelle Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe müssen inklusiv werden - unbedingte Umsetzung der UN BRK und des Gleichheitsgrundsatzes
Die gesamte Stellungnahme steht Ihnen als Download zur Verfügung.