Einführung
Im Zuge der COVID-19-Pandemie und der damit einhergehenden Eilgesetze und Verordnungen sind und waren Menschen mit Behinderungen oder psychischen Erkrankungen sowie die Einrichtungen und Dienste der Eingliederungshilfe oftmals nicht im Fokus des Gesetzgebers. Einrichtungen und Dienste für Menschen mit Behinderungen oder psychischen Erkrankungen sind aber, wie Pflegeeinrichtungen, für die staatliche Daseinsvorsorge systemrelevant. Sie haben die enormen Herausforderungen in der Pandemie angenommen und die Unterstützung der Menschen mit Behinderungen oder psychischen Erkrankungen gemäß ihrem Auftrag sichergestellt.
Die Erfahrung der letzten Jahre zeigen jedoch, dass das Bundesministerium für Gesundheit weder an dem Dialog mit den Verbänden für Menschen mit Behinderungen noch an dem Dialog mit Menschen mit Behinderungen und mit psychischen Erkrankungen als Expertinnen und Experten in eigener Sache sonderlich gelegen ist. Dies zeigt sich u.a. exemplarisch daran, dass mit den Vertretern aus dem Bereich der Eingliederungshilfe kein Austausch zu dem Thema Corona und die aktuellen Entwicklungen stattfindet, ein solcher aber regelmäßig mit den Vertretern aus dem Bereich der Pflege erfolgt (zuletzt am 15.06.2022). Bei diesem Austausch geht insbesondere um einrichtungsbezogene Themen wie Vorbereitungen auf den Herbst und Winter, einrichtungsbezogene Impfpflicht und Regelungen der TestV, die auch für die Einrichtungen und Dienste der Eingliederungshilfe und ihrer Fachverbände äußerst relevant sind.
Der Bereich der Eingliederungshilfe wurde mit seinen Problemanzeigen oftmals hinsichtlich der Zuständigkeit an das BMAS verwiesen. Eine künftige Corona-Strategie zum Schutz vulnerabler Personen ist jedoch Aufgabe der gesundheitlichen Versorgung und fällt daher in den Zuständigkeitsbereich des BMG. Der CBP regt daher an, im Hinblick auf den bevorstehenden Herbst und Winter den Austausch zwischen dem BMG und den Einrichtungsverbänden der Eingliederungshilfe zu verstärken. Insbesondere fordert der CBP das BMG auf, bei zukünftigen Corona-Regelungen die Menschen mit Behinderungen und ihre Verbände zu beteiligen, z. B. bei den regelmäßig stattfindenden Gesprächen mit Akteuren aus dem Bereich Gesundheit und Pflege. Dadurch würde auch befördert werden, dass die relevanten Informationen in barrierefreier Form (Gebärdensprache, Brailleschrift, einfache und Leichte Sprache) zugänglich gemacht werden.
Zu den Formulierungsanträge im Einzelnen
Änderungsantrag 4: Einrichtungen der Pflege und Eingliederungshilfe
§ 35 Infektionsschutz in Einrichtungen und Unternehmen der Pflege und Eingliederungshilfe
§ 35 Infektionsschutzgesetz wird neu eingeführt und regelt den Infektionsschutz in Einrichtungen und Unternehmen der Pflege und Eingliederungshilfe. Er enthält in Absatz 3 eine Verordnungsermächtigung für die Länder.
§ 35 Abs. 1 IfSG regelt, dass die Leitungen von besonderen Wohnformen für Menschen mit Behinderung, aber auch betreute Wohngruppen für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen, sicherzustellen haben, dass für den Zeitraum vom 1. Oktober 2022 bis einschließlich 7. April 2023 insbesondere die Umsetzung von Regelungen und Maßnahmen zum Impfen, Testen, zu Hygieneanforderungen sowie zur Versorgung mit antiviralen Therapeutika in der Einrichtung auf der Grundlage festgelegter Verantwortlichkeiten vollzogen werden kann. Diese Aufgabe kann durch die Einrichtungsleitung selbst, aber auch durch Benennung bzw. Delegation an hierfür ausgewählte Beschäftigte wahrgenommen werden. Die Wahrnehmung dieser Aufgaben soll basierend auf den pflegefachlichen Hinweisen des Qualitätsausschusses erfolgen. Um eine zügige und fachlich fundierte Umsetzung zu gewährleisten, soll nach dem Formulierungsantrag der Qualitätsausschuss Pflege nach § 113b SGB XI bis zum 15. Oktober 2022 fachliche Grundlagen und Verfahrenshinweise für die Koordinierungsaufgabe in den voll- und teilstationären Pflegeeinrichtungen erstellen. Dabei sind auch die Anforderungen des Datenschutzrechts, die im Rahmen der Koordinierungsaufgabe zu beachten sind, einzubeziehen. Die Gesundheitsämter sollen in den Einrichtungen vor Ort die notwendige Ergänzung der Hygienepläne und deren Umsetzung im Rahmen ihrer infektionsmedizinischen Überwachung unterstützen und überprüfen.
Der CBP erlaubt sich darauf hinzuweisen, dass sich die Einrichtungen und Dienste der Eingliederungshilfe bereits seit Beginn der der Pandemie eine Vielzahl von Schutzmaßnahmen ergriffen haben, um das Infektionsgeschehen zu verlangsamen und gerade die vulnerable Gruppe der Menschen mit Behinderung zu schützen. Dazu gehörten u.a. neben dem sogenannten Basishygieneschutz die Maskenpflicht in Einrichtungen, Einhaltung von Mindestabstand, besondere Regelungen für Besucher, regelmäßiges Testen und Lüften. Hinzu kamen besondere Hygienemaßnahmen bei SARS-CoV-2-Infektion oder COVID-19 Erkrankungen. Diese Maßnahmen waren -in unterschiedlicher Ausgestaltung- in den landesrechtlichen Bestimmungen vorgesehen, ohne dass die entsprechenden personellen und sachlichen Aufwendungen in allen Einrichtungen refinanziert wurden. Einen Rettungsschirm - vergleichbar § 150 SGB XI- gab es für die Einrichtungen der Eingliederungshilfe nicht und auch der vorliegende Änderungsantrag regelt ausschließlich für den Bereich eine Sonderleistung für stationäre Pflegeeinrichtungen zur Anerkennung und Umsetzung zusätzlicher Aufgaben nach § 35 Absatz 1 Infektionsschutzgesetz mit dem neuen § 150c SGB XI.
Der Qualitätsausschuss Pflege nach § 113b SGB XI - bestehend aus Vertretern des Spitzenverbandes Bund der Pflegekassen (Leistungsträger) und aus Vertretern der Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene (Leistungserbringer) - kann keine fachlichen Grundlagen und Verfahrensweisen für den Bereich der Eingliederungshilfe regeln. Der Gesetzesentwurf lässt daher völlig offen, in welchem Setting eine fachliche Grundlage für den Bereich der Eingliederungshilfe getroffen und abgestimmt werden soll. Zudem müsste sichergestellt werden, dass die Fachverbände der Menschen mit Behinderung beteiligt werden und die Finanzierung für die geplanten Maßnahmen sichergestellt ist.
Die Gewährleistung der tatsächlichen Versorgung mit antiviralen Therapeutika durch die Einrichtung der Eingliederungshilfe ist nicht möglich, da die Verordnung zur Änderung der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung nur die Möglichkeit der Bevorratung von Paxlovid in nach SGB XI zugelassenen Pflegeeinrichtungen vorsieht.
§ 35 Abs. 2 InfSG ermöglicht nunmehr Arbeitgebern von Einrichtungen und Unternehmen der Pflege und Eingliederungshilfe personenbezogene Daten der Beschäftigten zum Test-, Impf- und Serostatus in Bezug auf übertragbare Krankheiten zu erfragen und zu verarbeiten, um über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder die Art und Weise einer Beschäftigung zu entscheiden. Dies war bisher nach § 23a nur für Beschäftigte im medizinischen Bereich möglich bzw. nach § 36 Absatz 3 in Bezug auf die CoronavirusKrankheit-2019 (COVID-19). Dies ist zwar im Hinblick auf den Infektionsschutz sinnvoll, aber eigentlich Aufgabe der Gesundheitsämter.
§ 13 Abs. 3 InfSG enthält eine Ermächtigungsgrundlage für die Länder, durch eine Rechtsverordnung Regelungen zur Hygiene und zum Infektionsschutz zu treffen.
§ 73 Bußgeldregelungen zur Umsetzung von § 35 IfSG
Die ganze Stellungnahme steht Ihnen als Download zur Verfügung.