1. Der Schutz der vulnerablen Gruppen ist durch die einrichtungsbezogene Impfpflicht nicht sicherzustellen.
Die mit dem "Gesetz zur Stärkung der Impfprävention gegen Covid-19" eingeführte einrichtungsbezogene Impfpflicht verfolgt das Ziel, vulnerable Personen - hochbetagte oder pflegebedürftige Menschen, Personen mit akuten oder chronischen Grundkrankheiten sowie Menschen mit Behinderungen oder psychischen Erkrankungen -, die ein deutlich erhöhtes Risiko für schwere und ggf. auch tödliche COVID-19-Krankheitsverläufe haben, zu schützen. Mit dem Gesetz wurde eine Impfpflicht für diejenigen Personen eingeführt, die diese Menschen professionell unterstützen. Diese begrenzte Impfpflicht allein gewährleistet keinen sicheren Schutz der vulnerablen Personen, da sich das Leben von Menschen, die zu dieser Gruppe gehören - vor dem Hintergrund ihres Rechts auf soziale Teilhabe - nicht auf das Gelände einer Einrichtung beschränkt. Sie haben ein Recht darauf, sich im Rahmen ihrer sozialen Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu beteiligen, das heißt das Haus zu betreten und wieder zu verlassen, sich frei zu bewegen, ihre Familie zu besuchen oder Besuch von Angehörigen zu empfangen, die z.T. auch nicht geimpft sind. § 20 a des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) nimmt die Klient:innen und Patient:innen von Einrichtungen und Diensten des Gesundheits- und Sozialwesens ausdrücklich von der Impfpflicht aus. Als Bürger:innen unterliegen sie nicht der einrichtungsbezogenen Impfpflicht. Innerhalb der "vulnerablen Personengruppe" entspricht die Impfquote - zuweilen auch auf Grund ihrer Vorerkrankungen - derjenigen der nicht vulnerablen Allgemeinbevölkerung, d.h. die Impfquote bei Klient:innen und Patient:innen liegt teilweise auch nur bei 70 %. Dies macht deutlich, dass die Impfung allein des Personals den vulnerablen Personen keinen hinreichend wirksamen Schutz bietet. Zusammenfassend lässt sich festhalten: Ungeimpfte Klient:innen und Patient:innen in Einrichtungen und Diensten des Gesundheits- und Sozialwesens können weiterhin vulnerable Personen anstecken. • Ungeimpfte Angehörige und Besucher:innen können weiterhin Infektionsketten in Einrichtungen verursachen. • Das Leben der Klient:innen und Patient:innen beschränkt sich nicht auf das Gelände von Einrichtungen, sondern umfasst auch die soziale Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. Dabei dürfen sie nicht der besonderen Gefährdung durch ungeimpfte Personen ausgesetzt sein. Vor diesem Hintergrund ist der Schutz von vulnerablen Personen vorrangig und nur durch eine allgemeine Impfpflicht zu gewährleisten. Diese Aufgabe kann und darf nicht allein Assistenz- und Fachkräften in Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen, Hospizen, Rehabilitationseinrichtungen sowie Einrichtungen und Diensten für Menschen mit Behinderungen oder psychischen Erkrankungen überlassen werden. Es ist vielmehr eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, der sich alle Bürger:innen dieses Landes stellen sollten und müssten.
2. Mitarbeitende in Gesundheits- und Sozialberufen fühlen sich einseitig belastet
Die gegenwärtige "einrichtungsbezogene Impfpflicht" betrifft gerade diejenigen Menschen, die in den vergangenen beiden Jahren mit viel Engagement und persönlichen Einsatz, unter Gefährdung der eigenen Gesundheit sowie durch Mehrarbeit und Urlaubsverzicht die Versorgung vulnerabler und anderer schutzbedürftiger Menschen gewährleistet haben. Mit einer exklusiven Impfpflicht wird ihnen ein weiterer besonderer Beitrag zur Bewältigung der Pandemie abverlangt.
Unabhängig davon, ob sie sich bisher bereits freiwillig haben impfen lassen oder nunmehr dazu verpflichtet sind (was faktisch einem Beschäftigungsverbot gleichkommt), fühlen sie sich subjektiv als allein für die Bewältigung der Pandemie verantwortlich. Zudem könnten sie die mangelnde Loyalität der Gesellschaft als einen Schlag ins Gesicht empfinden. Demgegenüber wäre eine allgemeine Impfpflicht ein Zeichen der Wertschätzung und Solidarität.
Die ganze Stellungnahme steht Ihnen zum Download zur Verfügung.