Einführung
Der Deutsche Bundestag hat am 20. Mai 2021 das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) verabschiedet, das 2025 in Kraft tritt. Das BFSG bezieht sich in erster Linie auf digitale Dienstleistungen und Produkte und setzt den European Accessibility Act - EAA (RL [EU] 2019/882 weitgehend in deutsches Recht um. Nicht umgesetzt wurde mit dem BFSG der Artikel 24 Absatz 2, der Artikel 25 und der Anhang I Abschnitt VI der Richtlinie (EU) 2019/882. Mit dem vorliegenden Referentenentwurf und den darin vorgesehenen Änderungen soll nunmehr die Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/882 auf Bundesebene vervollständigt werden. Kritisch bewertet der CBP, dass auch in dem Gesetz zur Änderung des BFSG -wie im BFSG selbst- die europäischen Spielräume nicht genutzt werden. Es bleibt bei einer Umsetzung engen Umsetzung der Europäischen Vorgaben.
Das europäische Barrierefreiheitsgesetz, der European Accessibility Act, eröffnet die Möglichkeit, die Regelungen auch auf die bauliche Umwelt, die die im Geltungsbereich des EAA enthaltenen Produkte und Dienstleistungen umgibt, auszuweiten. Durch eine entsprechende Ausdehnung der Vorgaben der EAA würde beispielsweise gewährleistet werden, dass eine barrierefreie Dienstleistung von Menschen mit Behinderung auch barrierefrei erreicht werden kann. Dadurch würde der tatsächliche Zugang für Menschen mit Behinderung im konkreten Einzelfall auch faktisch verbessert bzw. ermöglicht werden.
Zum Bedauern des CBP greift auch der vorliegende Änderungsentwurf diesen gesetzlichen Spielraum nicht auf, so dass es keine einheitlichen und verbindlichen Anforderungen zur Barrierefreiheit der baulichen Umwelt gibt. Hier sieht der CBP weiterhin dringenden Verbesserungsbedarf.
Ebenfalls muss der wichtige Bereich der barrierefreien Gesundheitsversorgung vom Gesetzgeber in den Blick genommen werden. Menschen mit geistiger Behinderung, mit psychischen Erkrankungen, mit schweren Mehrfachbehinderungen oder Sinnesbehinderung haben insgesamt einen schlechteren Zugang zu Gesundheitsleistungen und Gesundheitsinformationen als Menschen ohne Behinderung. Dies belegt beispielsweise auch der zweite Teilhabebericht der Bundesregierung. Danach erfüllen nur elf Prozent der Arztpraxen, die im Ärzteportal aufgenommen sind, drei von zwölf Kriterien der Barrierefreiheit.
Nachbesserungsbedarf sieht der CBP auch bei der Verordnung zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz. Die Verordnung beschränkt sich darauf die theoretischen und technischen Kriterien aus der Richtlinie zu übernehmen, anstatt die abstrakten Kriterien der EU-Richtlinie 2019/882 konkret auszugestalten und zu präzisieren, z.B. dahingehend das Barrierefreiheitskriterium "verständlich" grds. die leichte Sprache beinhaltet oder bei dem Barrierefreiheitskriterium "wahrnehmen können" der Verordnungstext konkrete Regelungen beschreibt. Durch solche konkreten Regelungen würde der tatsächliche Zugang für Menschen mit Behinderung zu Produkten und Dienstleistungen erheblich befördert werden.
Gerade die Digitalisierung ist eine große Chance für Menschen mit Behinderung, jedoch sind die meisten Programme sind nicht barrierefrei: sie sind in regulärer Sprache konzipiert, setzen Lese- und Schreibkompetenzen voraus, sind in ihrer Struktur schwer zu erfassen, erfordern eine gute Feinmotorik etc. So bestehen Schwierigkeiten, neue Geräte oder Programme zu nutzen, erforderliche Tools, Add-Ons oder Browser-Updates herunterzuladen. Viele technische Geräte sind nur noch mit Touchfunktionen ausgestattet, welche z. B. für Blinde Menschen nicht verwendbar sind. Außerdem wird bei vielen Geräten mit Sprachausgaben oder Hörsignalen gearbeitet. Diese sind ohne entsprechende optische Signale für Menschen mit einer Hörbehinderung nicht nutzbar.
Offenbar haben auch die vergangenen Pandemiejahre nicht dazu beigetragen, dem Gesetzgeber zu verdeutlichen, dass die Digitalisierung pandemiebedingt enorm beschleunigt wurde und gerade Menschen mit Behinderung durch die mangelnde Barrierefreiheit digitaler Angebote im privaten Umfeld, im Berufsleben und im Gesundheitsbereich benachteiligt werden und es deshalb angezeigt gewesen wäre, das BFSG und die entsprechende Verordnung durch umfassende und verbindliche Regelungen für Barrierefreiheit -die sich nicht nur am europäischen Recht orientieren-zu stärken und damit größtmögliche Teilhabe zu ermöglichen.
Zu den Vorschriften im Einzelnen
Die ganze Stellungnahme steht Ihnen als Download zur Verfügung