Vorbemerkung
Für die Fachverbände für Menschen mit Behinderung ist die Gestaltung eines inklusiven Kinder- und Jugendhilferechts zentrales Anliegen. Dabei geht es auch um die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) im System des SGB VIII. Mit Blick auf die UN-BRK ist Kindern, Jugendlichen und ihren Familien eine gleichberechtigte Teilhabe an den Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe zu ermöglichen. Dafür sind insbesondere, die Regelungen in Buchstabe r) der Präambel, Artikel 1 und Artikel 7 des Abkommens umzusetzen. Ein inklusives SGB VIII setzt daher wesentlich die dritte Reformstufe des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes (KJSG) voraus. Denn nur eine Zusammenführung der Eingliederungshilfe für alle Kinder und Jugendlichen mit (drohender) Behinderung, unabhängig von der Art der Beeinträchtigung, unter dem Dach des SGB VIII wird dem Inklusionsgedanken gerecht.
Die Fachverbände für Menschen mit Behinderung haben sich im Beteiligungsverfahren der inklusiven Kinder- und Jugendhilfe mit Stellungnahmen eingebracht. Das vorliegende Eckpunktepapier nimmt nochmal die Aspekte auf, die den Fachverbänden für Menschen mit Behinderung besonders wichtig sind und nicht hinreichend im Fokus des Beteiligungsverfahrens waren.
Insbesondere bewerten die Fachverbände für Menschen mit Behinderung kritisch, dass die finanziellen Auswirkungen der geplanten Reform nicht im Beteiligungsverfahren besprochen wurden.
Zudem sind die Wissenschaftlichen Erkenntnisse und Schnittstellen (z. B. zur psychiatrischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung) noch nicht im Beteiligungsprozess beraten worden, obwohl sie für die Reform wegweisend sind.
1. Schaffung verlässlicher Rahmenbedingungen
Die Fachverbände für Menschen mit Behinderung sehen ihre zentrale Aufgabe im Engagement für die Wahrung der individuellen Teilhaberechte von jungen Menschen mit geistiger, seelischer, körperlicher oder mehrfacher Behinderung bei der Gestaltung der umfassenden Leistungsgewährung unter dem Dach der inklusiven Kinder- und Jugendhilfe des SGB VIII. Um diese zu gewährleisten, gilt es folgende Punkte zu berücksichtigen:
a) Finanzierung sicherstellen
Für eine Zusammenführung der Leistungen der Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit Behinderung zu einer inklusiven Kinder- und Jugendhilfe bedarf es einer gesetzlichen Festlegung der Zielvorgaben für die inklusive Kinder- und Jugendhilfe sowie rechtlicher und finanzierungsbezogener Maßnahmen. Dies erfordert eine Anpassung der Regelung des § 107 SGB VIII , insbesondere der Aufhebung des sog. Kostenneutralitätsgebots. Das "Kostenneutralitätsgebot" stellt die Umsetzung einer barrierefreien, partizipativen und - gemessen an den Vorgaben der UN-BRK - inklusiven Kinder- und Jugendhilfe vor unlösbare Herausforderungen. Die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung kann im Sinne des Art. 1 UN-BRK nur erreicht werden, indem individuelle Assistenzleistungen gewährt und strukturelle Barrieren in der Gesellschaft abgeschafft werden. Hieraus folgt eine notwendige Anpassung an Art und Umfang der Leistungen und Kompetenzen sowie die Aufhebung von Barrieren, die im Rahmen der Planungen für eine zukünftige inklusive Kinder- und Jugendhilfe weder fachlich, rechtlich noch finanziell Berücksichtigung gefunden haben (bspw. Ausgestaltung inklusiver Jugend-Treffs und Freizeitstätten).
Die Fachverbände für Menschen mit Behinderung fordern, das Kostenneutralitätsgebot aus dem Gesetz zu streichen, damit eine inklusive Kinder- und Jugendhilfe gelingen kann.
Auch die infrastrukturellen Angebote (z. B. Erziehungsberatungsstellen) müssen finanziell so ausgestattet werden, dass die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe von Kindern und Jugendlichen sichergestellt wird und ihre Personensorgeberechtigten eine ausreichende Unterstützung erhalten.
Daher ist mit allen nachstehenden Ausführungen die Forderung nach einer ausreichenden Finanzierung einer inkusiven Kinder- und Jugendhilfe verbunden.
b) Schaffung von Multiprofessionalität
Die gesamte Stellungnahme steht Ihnen als Download zur Verfügung.