Die Fachverbände danken für die Aufbereitung der Beratungsunterlagen zum Themenkomplex "Art und Umfang der Leistungen (Teil 2), Zugang zu Leistungen und Hilfe-, Gesamtplan und Teilhabeplanung" und nehmen wie folgt Stellung:
TOP 1: Inklusive und kindspezifische Ausgestaltung der Hilfe- und Leistungsarten
Menschen mit Behinderung sind aufgrund ihrer Behinderung in verschiedenen Lebensbereichen auf Unterstützung angewiesen, um selbstbestimmt am Leben teilhaben zu können. Hierfür spielt die Eingliederungshilfe eine zentrale Rolle. Gemäß § 90 Abs. 1 SGB IX ist es allgemeine Aufgabe der Eingliederungshilfe, Leistungsberechtigten eine individuelle Lebensführung zu ermöglichen, die der Würde des Menschen entspricht, und die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern. Die Leistung soll Menschen mit Behinderung befähigen, ihre Lebensplanung und -führung möglichst selbstbestimmt und eigenverantwortlich wahrnehmen zu können.
Den Fachverbänden ist es wichtig, auf die bisherigen -und in einer inklusiven Kinder- und Jugendhilfe zu berücksichtigenden- Regelungen wie auch wichtigen Grundprinzipien im SGB IX zu verweisen. Die Leistungen der Eingliederungshilfe werden nach dem Prinzip der individuellen Bedarfsdeckung erbracht. Gemäß § 104 Abs. 1 SGB IX bestimmen sich die Leistungen der Eingliederungshilfe nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach der Art des Bedarfes, den persönlichen Verhältnissen, dem Sozialraum und den eigenen Kräften und Mitteln; dabei ist auch die Wohnform zu würdigen.
Außerdem können Leistungen nach § 105 SGB IX Abs. 1 SGB IX als Sach-, Geld- oder Dienstleistung erbracht werden. Zur Dienstleistung gehört die sicher zu stellende Beratung und Unterstützung in Angelegenheiten der Leistungen der Eingliederungshilfe sowie in sonstigen sozialen Angelegenheiten (vgl. § 105 Abs. 2 SGB IX).
Ein weiterer wichtiger Grundsatz im Recht der Eingliederungshilfe ist das Wunsch- und Wahlrecht, vgl. § 104 Abs. 2 und 3 SGB IX. Die Vorstellungen des Menschen mit Behinderung zur Gestaltung der Leistung sollen bei der Entscheidung über die Leistung berücksichtigt werden. Daher ist den Wünschen der Leistungsberechtigten, die sich auf die Gestaltung der Leistung richten, zu entsprechen, soweit sie angemessen sind. Die Angemessenheitsprüfung umfasst nicht nur Kostenaspekte1 , sondern auch die Qualität der Leistung.
I. Leistungskatalog
Das Bundesministerium geht davon aus, dass die Gestaltung der Rechtsfolgenseite unmittelbar mit der Grundkonstruktion der Anspruchsgrundlage zusammenhängt, so dass je nach Ausgestaltung der Rechtsgrundlage zwingend zwei getrennte Leistungskataloge (im SGB VIII und SGB IX bzw. im SGB VIII) oder ein inklusiver Leistungskatalog folgt. Diese zwingende Notwendigkeit besteht nach Auffassung der Fachverbände nicht.
Unabhängig davon, wie der Leistungskatalog konkret ausgestaltet wird, sind den Fachverbänden folgende Eckpunkte wichtig:
In einem inklusiven SGB VIII müssen die Leistungen der Eingliederungshilfe offen und nicht abschließender in Form von individuellen Rechtsansprüchen aufgeführt werden. Die Leistungen orientieren sich an den Aufgaben (§ 90 SGB IX) und den Zielen (§§ 1 und 4 SGB IX) der Eingliederungshilfe, d.h. für die Leistung gilt der personenzentrierte und ganzheitliche Ansatz. Bei den Leistungen der Eingliederungshilfe richtet sich die Leistung nach den Bedarfen und Wünschen des Einzelfalls. Bei Bedarfen der Eingliederungshilfe und der Hilfe zur Erziehung gilt ein ganzeinheitlicher Ansatz. Mit Blick auf den Leistungskatalog ist es den Fachverbänden für Menschen mit Behinderung darüber hinaus besonders wichtig, dass sich die Leistungen weiterentwickeln können. Dies gilt sowohl für die Leistungen der Eingliederungshilfe als auch der Hilfen zur Erziehung nach §§ 27 ff. SGB VIII. Auch für Letztere muss die Möglichkeit bestehen, sich inklusiver weiterzuentwickeln, um als Teil einer inklusiven Kinder- und Jugendhilfe auch in Zukunft bedarfsgerecht aufgestellt zu sein. Der Leistungskatalog, gleich welcher Ausgestaltung, muss für alle Leistungen offen und nicht abschließend sein. Dafür hat der Gesetzgeber die erforderlichen Rahmenbedingungen zu schaffen. Vor diesem Hintergrund fordern die Fachverbände weiterhin die Aufhebung des sog. Mehrkostenvorbehalts in § 107 SGB VIII.
Inklusion bedeutet für die Fachverbände - unabhängig von der konkreten rechtlichen Ausgestaltung des Leistungskatalogs - bezogen auf den Behinderungsbegriff die volle wirksame und gleichberechtigte Teilhabe sei es bei der Freizeitgestaltung, bei der Arbeit, in der Kommune, beim kulturellen Leben und im Sozialraum. Inklusion bedeutet nicht, dass sich alle Angebote und Leistungserbringer dahingehend weiterentwickeln müssen, dass sie per se sowohl für Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung gelten. Vielmehr braucht es auch zukünftig für Kinder und Jugendliche mit Behinderung gemäß ihren spezifischen und allein bezogen auf die behinderungsbedingten Barrieren sehr heterogenen Bedarfen, wie sie z. B. bei Kindern und Jugendlichen mit Sinnesbehinderung bestehen.
Die gesamte Stellungnahme steht Ihnen als Download zur Verfügung.